Schäferhund sitzt mit Herrchen vor dem Laptop

Gibt es eine familien- bzw. rudelspezifische Fiktion? Eine gewagte Hypothese zur Mensch-Hund-Beziehung

12.07.2022

Das Zusammenleben mit Tieren ist vielschichtig und faszinierend. Beschäftigt hat sich die Menschheit schon immer damit, Jäger und Sammler beobachteten die Tiere in der sie umgebenden Natur per se und waren damit schon „Verhaltensforscher“.
Das Betrachten von Tieren steigert in uns Menschen die Vigilanz. Die Werbung macht sich diesen Aspekt zu nutze. Man sieht häufig Tiere in Marketingspots, obwohl das jeweilig beworbene Produkt mit Tieren nicht im geringsten Zusammenhang steht. Die Erhöhung der Vigilanz wurde in einem Versuch nachgewiesen: Man zeigte Versuchspersonen hunderte von Fotos, darunter Fotos auf welchen Menschen in technisch herbeigeführten, gefährlichen Situationen (z. B. eine Leiter mit gebrochener Sprosse) zu sehen waren. Man vermutete, dass Fotos mit gefährlichen Situationen von den Versuchspersonen länger angeschaut werden würden. Die Versuchspersonen schauten aber nur die Fotos länger an, auf denen auch Tiere zu sehen waren. Die Tiere standen m.o.w. außerhalb des Fokus auf den Fotos. (zit. Serpell,1990).

Seit etwa 1980 hat sich ein Wissenschaftszweig zur Beschäftigung mit Mensch- Tier- Beziehungen begonnen zu etablieren, die Anthrozoologie. HAIL HERZOG (2010) hatte das ambivalente Verhältnis von Menschen zu Tieren schließlich in seinem Buchtitel “Wir streicheln und wir essen sie“ auf den Punkt gebracht. Der vereinfacht zusammengefasste, zentrale Schwerpunkt der Mensch- Tier- Beziehungsforschung lässt sich auf die Frage reduzieren, ob Tiere dem Menschen gleichwertig (nicht gleichartig) sind oder ob der Mensch eine übergeordnete Stellung einnimmt und die Tiere damit m.o.w. minderwertig sind. Diese Frage ignoriert natürlich die facettenreichen, komplexen Beziehungen von Menschen zu Tieren.

In den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts versuchte die ambitionierte Verhaltensforschung (Tierpsychologie) den Nachweis der Gleichwertigkeit von hochentwickelten Wirbeltieren (Pferden, Hunden, Tauben) zu erbringen, die jedoch in einer Blamage endete. Man wollte das Denken bei Tieren mittels der Fähigkeit des Rechnens, also der Königsdisziplin des abstrakten Denkens „Mathematik“, nachweisen. Die Blamage bestand darin, dass man dem Pferd namens „Kluger Hans“ die Leistungsfähigkeiten einfacher Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division attestierte, deren Lösung jedoch nicht auf dem Rechnen basierte, sondern auf einer ausgeprägt guten Wahrnehmungsfähigkeit von subtilen Bewegungen und Muskelspannung der menschlichen Zuschauer. Seither, ca. Mitte des letzten Jahrhunderts, sind die Fragestellungen der vergleichenden Verhaltensforschung (Ethologie) bescheidener geworden.

Die Ethologie (vergleichende Verhaltensforschung) betrachtete das Denken und Fühlen - also das Innere des Tieres- als Black Box und konzentrierte sich darauf, was man an eingehenden Umweltreizen und ausgehenden, messbaren Verhalten beobachten und beschreiben kann. Diese Bescheidenheit hinsichtlich des Respektierens der eigenen Grenzen, d.h. dass wir nicht wirklich nachweisen können, was ein Tier denkt und fühlt, denn wir wissen ja noch nicht einmal, was sie mit ihren Sinnen wahrnehmen (WENZ,2002), hatte aus meiner Sicht einen großen Vorteil. Das achtsame, nicht von geframten und nicht von innerlich vorinterpretierten Gedanken verwischte, konzentrierte Beobachten lies den Menschen dem Fokustier und ggf. der Tierart wirklich näherkommen. Vorinterpretation und Vermenschlichung war damals ein Schimpfwort. Die Forschungsergebnisse waren nicht spektakulär und nicht reißerisch. Man erklärte profane Tatsachen, z.B. „Wie lässt sich die Körperhaltung beim Eliminieren beschreiben?“. Dieses, heute oft fehlende, wertfreie Beobachten erwähnte MONIKA MARON in ihrem Roman „Munin oder Chaos im Kopf“, in dem sie die Krähe mit dem Namen „Munin“ zu der Hauptfigur, einer Städterin, sagen lässt: “Wir reden nicht über euch (Menschen - Anmerkung Verfasserin), wir beobachten euch nur, und wissen dann auch ohne eure menschliche Vernunft, was zu tun ist.“

Um die Jahrhundertwende mit dem Aufkommen von verbesserten und digitalen Messmethoden und bildgebenden Verfahren sowie mit dem Aufkommen der Forschung auf der zell- und molekularbiologischen Ebene ist auch das Denken und Fühlen der Tiere in der Disziplin „kognitiven Ethologie“ wieder ins Zentrum der Betrachtungen gerückt worden. Denken wurde nun definiert als „Probehandeln im Kopf“. Diese andere Perspektive auf das Denken eröffnete neue Einblicke in das „Seelenleben“ der Tiere.

Jenseits der sachlich und datenbasierten, m.o.w objektiven Erforschung des Tierverhaltens bietet das tägliche Zusammenleben mit den Tieren, zu denen eine tiefere Bindung besteht, andere und neue Einsichten. Solche, auf Empathie und Bindung beruhenden, Ideen zur Mensch-Tier- Beziehung bleiben der objektiven Wissenschaft in ihren Laboren häufig verborgen.
Es gab jedoch auch Pioniere, die ihre wissenschaftlichen Erkundungen auf einem Integriert-sein in eine Tiergruppe aufbauten (Viele Menschen kennen sicherlich Dian Fossey, es gab auch Matto H. Barfuß (Leben mit Geparden,1998). Er lebte mit einer Gepardin und ihren Jungen zusammen. Es gab Heinz Meynhardt (Schwarzwild-Report. Vier Jahre unter Wildschweinen, 1978), der das Verhalten von Wildschweinen als „Mitglied“ einer Rotte erforschte, u.a.) Fragende Menschen, und die müssen nicht in der Forschung tätig sein, und interessanterweise Wissenschaftler, nach dem sie in den Ruhestand versetzt worden sind (z.B. Konrad Lorenz.So kam der Mensch auf den Hund.(1982, 23. Aufl.); Temple, Grandin“.Ich sehe die Welt, wie ein frohes Tier“,(2005); Paul Leyhausen, Katzenseele,(2005, 2.Aufl.);Kurt Kotrschal, Einfach beste Freunde,(2014);u.a.) denken über ihre Tiere und dessen Verhalten nach und berichten in einer Form, welche den Graben zwischen Mensch und Tier zuschüttet. Mit einer Bindung zum Tier fangen Menschen vielleicht an nach Analogien bzw. nach allgemeinen Mustern des Verhaltens bei Tieren zu suchen, die denen von Menschen ähnlich sind. Es sind Verhaltensmuster, die in der Evolution beim Tier schon angelegt sind. Beim Menschen haben solche Muster dann eine stärkere Ausprägung gefunden. “Der Verstand ist ständig auf der Suche nach wiederkehrenden Mustern.“ , schrieb DEUTSCHER(2012).

Ich frage mich seit des 13 Jahre währenden Zusammenlebens mit meiner Hündin Nana- einer Mischlingshündin aus Altdeutschem Schäferhund, Appenzeller und Berner Sennenhund-, was so ein hochsozial lebendes Tier, wie der Hund, abstammend vom Wolf, eigentlich sein Leben lang macht und denkt in der Gesellschaft mit artfremden Wesen. Es sind zweibeinige Wesen, deren Kopf nicht in in der Waagerechten ist, die nicht „ordentlich“ über den Geruch kommunizieren können, die ihre Ohren nicht bewegen können, keine Rute zum Wedeln haben, u.v.a. mehr nicht besitzen, die irgendwie unvollständig sind.
Sich selbst als Mensch zurücknehmend hatten Ethologen in den 80iger Jahren, den heute als Kommunikation mit Tieren bezeichneten Informationsaustausch noch bescheidener als Interaktion betitelt, wohlwissend dass die Kommunikation zwischen Mensch und Tier sehr eingeschränkt ist. Auf welcher Stufe der Biokommunikation (TEMBROCK, zit.Wessel,94) findet ein Informationsaustausch statt, wenn der menschliche Sender duftet ohne dem Duftsignal bewusst eine Bedeutung geben zu können? Präsentiert der Sender dann die innere Repräsentation der Umwelt, individuell bewertet, wie es in der 4. und höchsten Stufe der Biokommunikation angenommen wird? Die 4. Stufe der Biokommunikation ist das, was Menschen mittels Sprache und ggf. Wölfe und Delfine untereinander mitteilen können.
Tragisch für das „Reden“ mit Tieren ist, dass der Kommunikationspartner Mensch viele gesendete Botschaften des Hundes, zum Bsp. Pheromone, einfach nicht decodieren kann, die Botschaft des Hundes wird nie zur Nachricht. Der Austausch von Informationen bleibt auf den visuellen und den akustischen Sinneskanal beschränkt.

Denken und Fühlen des jeweiligen Tieres? Können wir je etwas über ihren Geist wissen? Objektiv betrachtet, bleibt es eine Interaktion auf menschlichen Sinneskanalfrequenzen sowie menschlichen Sinnesrezeptoren und es bleibt ein Rest einer Black Box.
Als nachdenkender und philosophierender Mensch probiert man mit dem Auffinden von analog erscheinenden Mustern und mit Phantasie und Intuition dem Lösen dieses Rätsels“, was könnte in meinem Tier vorgehen, was verbirgt sich im Geist meines Tieres, auf die Spur zu kommen.
Ich folge für den vorliegenden Artikel sinngemäß der Erklärung von HARARI (2015). Geist ist für mich ein nicht zu differenziertes Geflecht, quasi ein Zopf, aus Emotionen, Sinneswahrnehmungen und Erinnerungen, welcher vorhanden ist, aber nur dann an das „ Licht tritt“, wenn das jeweilige Lebewesen sich dessen bewusst wird. Das Bewusstwerden- anders ausgedrückt- bedeutet, wenn die Gedankenströme der unzähligen neuronalen Netzwerke im Limbischen System und den anderen Regionen des Gehirns auch in die Region „Cortex (Hirnrinde)“ geschickt werden. Dann nennt man es Verstand. Jeder Hund hat Gefühle, nimmt Sinneseindrücke wahr und verarbeitet diese Sinneseindrücke, jeder Hund kann sich erinnern und besitzt eine Hirnrinde.

Als Tabula rasa kommen Mensch und Tier nicht zur Welt. Unser Gehirn verfügt schon zur Geburt über neuronale Netzwerke im Gehirn (VESTER,1996), die wir evolutionäre Erinnerung nennen könnten. Die Einen bezeichnen das als Urwissen, die Anderen bezeichnen es als biogenetisches Potential oder als genetisch prädisponiert Eigenschaften. Diese „Voreinstellungen“ werden der langfristigen Anpassung an die Umwelt funktional zugeordnet. Die gespeicherten Informationen- oder das Urwissen der Evolution- sind im Erbgut mittels DNA in den Chromosomen festgeschrieben. Die Prozesse der Epigenese, die das Abschreiben der DNA durch die maternale RNA , u.v.m., beinhalten, vermitteln das „Urwissen“ im Lebewesen umgedichtet, beim Abschreiben passieren „Fehler“ bzw. Veränderungen. Die Ausprägung der genetischen Information wird also über die Epigenese im Lebewesen als tradigenetisches Potential verankert und gilt als mittelfristige Anpassung an die Umwelt. Die kurzfristige Anpassung an die Umwelt übernimmt das Lernen im individuellen Leben. TEMBROCK (zit. Wessel,94) bezeichnet das als ratiogenetisches Potential der Lebewesen. Im allbekannte Eisbergmodell wird das als bewusstes Verhalten bei Menschen betitelt.

All diese theoretischen Überlegungen finden ihre Lebendigkeit im Beobachten des Verhaltens meiner Hündin Nana. Seit 13 Jahren bringt mir Nana Stöcke. Ich werde zum Werfen aufgefordert und sie bringt den jeweiligen Stock zu mir zurück. Erst einmal ist das nichts Ungewöhnliches.
Diese hohe Motivation des aktiven und selbst-ständigen Bringens hat die Hündin nur bei Stöcken, bei Bällen und anderen Wurfgegenständen ist diese Motivation kaum ausgeprägt. Holzstöcke riechen eventuell nach Baum und erinnern an das Habitat „ Wald“.
In der Zeit der späten Sozialisation in unserer Familie (ab 12. Lebenswoche bis 1. Lebensjahr) waren unseren zwei Söhne im Schulalter und Stöcke waren ein wichtiges, oft genutztes Spielzeug. Nana erlebte, dass Stöcke wichtig sind, dass Stöcke eine Ressource sind, vielleicht auch das Stöcke sinnstiftend sind? Warum tut sie dieses Verhaltensmuster „Stöcke bringen und Aufforderung zum Werfen“ bis in ihre senile Lebensphase andauernd?

Hypothese 1: Ein Hund braucht Aktivitäten und Bewegung. Nana muss ihre Bewegungsenergie umsetzen und tut das in einem rudimentären Ausschnitt von Jagdverhalten, was ihr ja als Wolfsnachkomme nicht gerade hohe kognitive Lernleistungen abverlangt. Es ist also nichts weiter als eine Ersatzhandlung für das Jagen, nur am falschen Objekt. Zusätzlich hat das Rudel damit eine gemeinsame Aktivität, das gemeinsame „Beutemachen“ am Ersatzobjekt. Aber ist die Hündin wirklich so einfältig, dass sie ihr Leben lang nicht erkennt, dass das Holz nichts mit Beute zu tun hat, dass es nicht nach Adrenalin oder essbaren Muskeln riecht und sich auch nicht wie Beute bewegt?

Hypothese 2: Nana hat in der Sozialisation in der Familie über eine Phase von ca. einem Jahr gelernt und sich fest eingeprägt: “Ich bekomme Aufmerksamkeit und Belohnung, wenn ich die Stöcke zurückbringe bzw. hole“. Das Wegschmeißen des Stockes und das Zurückbringen ähnelt dem Beute einbringen für mich und meine nicht vorhandenen Welpen, das menschliche Rudel freut sich. Die Rudelmitglieder zeigen positive Emotionen in Form von Aufmerksam- sein. Darüber hinaus haben wir als Rudel eine gemeinsame Aktivität. Diese Handlungen sind eine Art sozialer Kit in diesem Rudel, sie dienen also der Bestätigung der Bindung. Das könnte man mit einem Test des Oxytozinspiegels u.U. messen. Oxytozin ist ein Hormon, was in der Konzentration erhöht ist, wenn es um Bindung geht.
Die Frage, warum die Hündin uns nur Stöcke von alleine und auffordernd bringt und nicht, die auch tausende Male geworfenen, Bälle, ist damit jedoch nicht beantwortet.

Hypothese 3: Kann es sein, dass Stöcke für Nana einen immateriellen Wert haben?
In diesem „Rudel“ zählt die verbindende Fiktion “Stöcke sind wichtig und wir glauben, wir jagen zusammen“. Dieser Glaube ist der soziale Kit, ein materieller Stock bekommt in der Vorstellung einen erhöhten immateriellen Wert, er wird zu einer Art „Totem“. Das heißt, ein spezieller Gegenstand bekommt eine erhöhte Bedeutung, weil er mit einer Wirksamkeit in Verbindung gebracht wird, an die geglaubt wird. Ich meine, ich tue meiner Hündin mit dem Werfen ein Gefallen – ich gebe ihr etwas- und die Hündin glaubt vielleicht, sie tut mir einen Gefallen und gibt mir eine sinnvolle Beschäftigung aus ihrer Sicht, damit ich nicht so langweilig nur spazieren gehe mit ihr. Wir spielen Geben und Nehmen, ein Grundprinzip des sozialen Zusammenlebens. Dann wäre der Stock für die Hündin analog zu sehen zu dem, was für Menschen z.B. der Glaube an die Wichtigkeit des Geldes oder der Bibel oder z.B. der philosophischen Werke von Marx oder von Kant sind, eine Imagination, die zur intersubjektiven Realität geworden ist oder mit anderen Worten, eine Fiktion. Diese intersubjektive Fiktion gilt vorerst natürlich nur in unserer Familie bzw.in unserem Rudel.
HARARI (2015) erläuterte, dass nur Menschen in der Lage sind, Fiktionen als verbindendes Element für m.o.w. große Menschengruppen zu erfinden, aber er hat als Historiker Menschen beschrieben, Tiere gehören nicht in sein Fachgebiet.
Dass das Grundmuster für Fiktionen in einer fest zusammenlebenden Gruppe bei hochentwickelten Sozialwesen, wie Hunden, phylogenetisch angelegt sein könnte und sich als tradigenetisches Potential in konkreten Lebensbedingungen aktivieren lässt, halte ich nicht für abwegig. Es könnte der evolutionären Theorie der biologischen Entwicklung nach WILSON (2013) entsprechen, in der die soziale Gruppe die treibende Kraft der Evolution ist und nicht der selbstoptimierende Egoismus. Dann sehe ich in meiner Hündin die Wurzeln /den Ursprung des eigentlich so menschlichen Verhaltens der Abstraktion des Wertes von Gegenständen für eine gemeinsame Fiktion. Ich sehe ein Muster der sozialen Fähigkeiten von Menschen, nur gröber und vereinfachter bei unseren Hunden, wenn man die Hunde sich im Sinne eines social referencing entwickeln lässt (social referencing – eine aufeinander bezogene soziale Entwicklung (KOTRSCHAL,2014).
Wenn Geist, ein verflochtener Zopf von Erinnerungen, Wahrnehmungen und Emotionen ist, dann haben Tiere einen Geist, denn kein Mensch wird ihnen Erinnerungen absprechen. Die Sinneswahrnehmung von Hunden ist der der Menschen mit Ausnahme des binokularen Sehens und des Farbensehens in allen Sinnenleistungen überlegen. Ein Gehirn zur Verarbeitung der Reize haben Hunde auch. Niemand spricht heute mehr Tieren ihre Gefühle ab.

Warum reden wir wenig über die geistige Entwicklung von Tieren, warum probieren wir nicht diese Rätsel in der Forschung zu lösen? Die ethische Frage, ob wir Tiere mit einem vernünftigen Grund nutzen und schlachten dürfen, wenn wir den Mensch- Tier- Graben immer weiter zuschütten, würde kaum noch moralisch für die Nutzung zu beantworten sein. Die landwirtschaftliche Tierhaltung wäre obsolet. Vielleicht wollen wir diesen Graben nicht zuschütten, weil wir unser Tun in der Tierhaltung, in den Laboren, der Heimtierhaltung, in den Zoos ,…,..nicht mehr rechtfertigen könnten. Im worst case würden wir aus vernünftigen Gründen die Nutzung von Menschen zur Verwertung für andere Menschen legitimieren müssen.

Was haben Menschen den Tieren beim Wechsel vom Leben in der Natur zu einem Leben in einer anthropogener Umwelt und dem bei allen Haustieren damit einhergehenden Domestikationsprozess gegeben? Sicherheit, Futter, veterinärmedizinische Hilfe und oder Verblödung und oder Energie für das weitere Vordringen in kognitive Welten? Das Leben in einer anthropogenen Umwelt führte zu mindestens bei Labormäusen zu höheren kognitiven Fähigkeiten im Vergleich zu ihren wild lebenden Ahnen. (MPG,2/21). Das Leben der Hunde in menschlicher Obhut führt nicht selten zu einer Verlängerung des Lebens bis weit in die senile Lebensphase hinein. Damit erleben die Tiere länger den Zerfall und die Schmerzen (ROWLANDS,2009), eventuell auch ihre demente Verwirrung und das, ohne das Prinzip „Hoffnung“ für das Durchstehen einer lebensverlängernden Reparatur durch die Veterinärmedizin.
Wenn der Tierbesitzer*in es schafft seinem Tier näher zu kommen, das Tier als Selbst und als eigenes Wesen zu betrachten ohne sofortige Vermenschlichung (das meint, ohne nur das zu sehen, was ich sehen will und selber denke) und nach diesem Näherkommen die Suche nach gleichen Mustern beginnt, könnte man dem Tier und der Natur weitere Geheimnisse entlocken. Das lässt sich nur im gemeinsamen Leben im geteilten Habitat machen nicht aber im Labor bzw. in Versuchsanstalten. Vielleicht finden wir bei Tieren auch ein individuelles Selbst und könnten MARON`S (2018) in den Schnabel der Krähe gelegten Worte doch „hören“. Das Tier sagt zum Menschen:“ Du hörst doch, was ich denke?“; Antwort des Menschen: “Nein, ich höre nur, was du sagst.“ Man könnte dem Unbekanntem, dem was ein Tier denkt, näherkommen. In nicht literarischen Worten ausgedrückt könnte das bedeuten, dass Menschen eine Idee davon erhalten, was im Geist des Tieres vor sich geht. Da der bewusste Verstand nur einen sehr kleinen und komprimierten Ausschnitt der Wirklichkeit wieder spiegelt, helfen uns Tiere vielleicht das Geistige zu verstehen und den Blick über den Verstand hinaus zu weiten.

In dem Witz der Katzenliebhaber „Ein Hund denkt:“ Sie lieben mich, sie pflegen mich, sie füttern mich. Sie müssen Götter sein.“. Eine Katze denkt: „Sie lieben mich, sie pflegen mich, sie füttern mich. Ich muss ein Gott sein.“( chaoskatzen.21) kommt zum Ausdruck, dass man den Graben zwischen Mensch und Tier ganz zuschütten kann. Vielleicht werden Tiere im Wert auch über den Menschen gestellt, wie zu Beginn unserer menschlichen Entwicklung, als Tiergestalten Götter verkörperten und bestimmte Tiere einem Stamm als Totem dienten (MÜNCH,1998).
Jedoch, die o.g. Worte sind ein Witz und ein Witz ist komisch und komisch ist etwas, was wir nicht erwartet haben, weil es eigentlich nicht vorkommt.

Autorin: Dr. Cathleen Wenz, WenzC@t-online.de

Quellen
chaoskatzen. www.chaoskatzen.net Stand: März 2021
Deutscher,Guy.(2012, 4. Aufl.).Im Spiegel der Sprache.München:Beck
Herzog,Hall (2012). Wir streicheln und wir essen sie.München: Carl Hanser
Harari,Yuval,Noah(2015,27. Aufl.).Eine kurze Geschichte der Menschheit.München:Pantheon
Kotrschal,Kurt.(2014).Einfach beste Freunde.Wien: Brandstätter
Maron,Monika(2018,4. Aufl.).Munin oder Chaos im Kopf.Frankfurt/M.:S. Fischer
Münch,Paul ,Walz, Rainer (1998, 2. Aufl.) Tiere und Menschen: Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, Paderborn: Schöningh.
Serpell, James (1990). Das Tier und wir. Zürich: Müller Rüschlikon
Max Planck Gesellschaft (MPG). https://www.mpg.de/16745001/0416-psy-unsere-welt-vereinfachen-155111-x?c=2191,Stand :Feb.2021I
Rowlands,Mark(2009,5.Aufl.).Der Philosoph und der Wolf.Berlin:Rogner&Bernhardt-
Verster, Frederic(1996, 23. Aufl).Denken ,Lernen und Vergessen.München:dtv
Wessel,K.F.;Naumann,F.(1994).Verhalten,Informationswechsel und organismische Evolution.Zu Person und Wirken Günter Tembrocks.Bielefeld:Kleine Verlag
Wenz,Cathleen.(2002).Adaptionsleistungen von Tieren in Menschenhand. IN. Hanneder,S. (Hrsg.)Mensch und Pferd-neues Aspekte einer alten Beziehung.Berlin: Förderverein für Mensch und Tier
Wilson,Edward,O.(2013).Die soziale Eroberung der Erde. München:C.H Beck